Antoine Bellier: «Das Risiko hat sich ausbezahlt»
«Ich glaube, dass wir in dieser Saison viel
erreichen können»
Der Genfer Antoine Bellier gehört zu den besten Tennisspielern der Schweiz und läuft in
diesem Jahr bereits zum dritten Mal für Trimbach in der Nationalliga A auf. Wir haben mit
ihm über sein Leben auf der Profitour, sein Start in die neue Saison und die bevorstehende
NLA-Meisterschaft gesprochen.
Du spielst dieses Jahr deine dritte Saison mit dem NLA-Team des TC Froburg Trimbach. Mit
welchen Gefühlen blickst du der Saison entgegen?
Ich freue mich sehr auf die neue Saison. Ich habe auch mit Marco Meyer gesprochen und wir
versuchen für diese Saison ein starkes Team zusammenzustellen. Unser Ziel ist es, dass
möglichst viele Spieler, die bereits letztes Jahr für unser Team gespielt haben, wieder dabei
sind. Denn wenn man sich gut kennt, ist das ein grosser Vorteil.
Worauf freust du dich besonders?
Ich freue mich, meine Teamkollegen wieder zu sehen. Ich werde alles geben für Trimbach
und glaube, dass wir in dieser Saison viel erreichen können.
Du spielst seit vielen Jahren regelmässig NLA-Interclub und dieses Jahr auch noch in der
Nationalliga B mit Nyon. Welchen Stellenwert hat der Interclub für einen Profispieler wie
dich?
Interclub ist ein Wettkampf, den ich sehr mag. Die Nationalliga A ist die höchste Liga in der
Schweiz, da spielst du nur gegen die besten Spieler des Landes und einige starke Ausländer.
Das macht Spass. Auf der Tour reist du zudem meist alleine oder mit deinem Coach. Im
Interclub bist du dagegen im Team, das mag ich sehr. Wenn ich Interclub spiele, gibt mir das
auch einen guten Rhythmus. Denn zum einen spiele ich Einzel und Doppel und zum anderen
spiele ich jeden zweiten Tag, das gibt viele Matches in kurzer Zeit. Das hilft auch für den Rest
der Saison. Und natürlich gibt es auch finanzielle Gründe. Mit dem Geld, das wir für die
Interclubeinsätze bekommen, können wir auch einen Teil der Kosten für den Rest der Saison
decken.
Aktuell bist du die Nummer 340 der Welt – wie bist du mit deiner bisherigen Saison
zufrieden?
Die ersten vier Monate dieses Jahres konnte ich wegen einer Verletzung am Arm nicht
spielen. Als ich wieder spielen konnte, bin ich schon sehr bald nach Mexiko gereist und habe
dort mehrere Challengerturniere gespielt – ohne viel Training und mit wenig Matchpraxis
war das allerdings ein schwieriger Start. Ich habe sehr oft in der ersten Runde verloren. Ich
konnte dadurch zwar viel trainieren, aber die Turnierwochen waren kurz. Das war mental
ziemlich schwierig.
Wie gehst du mit schwierigen Phasen um wie derjenigen in Mexiko, die du eben
beschrieben hast?
Ich muss lernen, geduldiger zu sein. Für mich war es die erste grössere Verletzung meiner
Karriere und daher eine neue Situation, an die ich mich zuerst gewöhnen musste. Ich muss
mir mehr Zeit nehmen und dann kommen auch die Resultate wieder.
Was war bislang dein Highlight in diesem Jahr?
Ganz klar, das Turnier in Portugal Anfang Juni, wo ich den Final erreicht habe. Ich hatte da
sogar noch einen Matchball, den ich leider nicht verwerten konnte. Aber es war eine gute
Woche mit fünf Matches, in denen ich mich jeweils steigern konnte. Das gab mir wieder
Selbstvertrauen und Spielpraxis.
Kannst du uns ein wenig davon erzählen, wie dein Leben auf der Tour aussieht? Wo hast
du deine Trainingsbasis und wie sieht dort jeweils dein Trainingsalltag aus?
Ich trainiere in Lyon. Das Trainingszentrum dort heisst «All in Groupe» und wurde von Jo-
Wilfried Tsonaga und Thierry Ascione gegründet. Ich bin sehr happy, dort trainieren zu
können. Es hat 15 Plätze, zwei Fitnesscenter, ganz viele Regenerationsmöglichkeiten und
viele gute Spieler, um zu trainieren. Ich trainiere dort von Montag bis Freitag. Pro Tag stehen
jeweils zwei Tenniseinheiten à 2 Stunden auf dem Programm, dazu ein Fitnesstraining von
rund 90 Minuten. Zusätzlich schaue ich, dass ich auch jeden Tag etwas für meine
Regeneration machen kann. Ich habe auch direkt auf der Anlage mein eigenes Zimmer. So
verliere ich keine Zeit mit Hin- und Rückfahrt. Dieses Setup ist ideal für mich.
Wenn du an Turnieren unterwegs bist – reist du da alleine oder hast du ein Team, das
jeweils mitkommt?
Ich versuche, dass ich – wenn immer möglich –, mit einem meiner beiden Coaches
unterwegs zu sein. Ich spiele pro Jahr rund 30 Turniere und habe einen Deal mit meinen
Coaches, dass sie 25 Wochen im Jahr mit mir reisen. Das ist natürlich der teuerste Teil des
Profidaseins. Ich muss schliesslich den Flug, das Hotelzimmer und das Essen des Coaches
bezahlen. Aber ich bin überzeugt, dass sich das lohnt, denn wenn du alles alleine machen
musst, kannst du nicht gleich erfolgreich spielen.
Nach welchen Kriterien wählst du die Turniere aus, die du spielst?
Ich versuche, so viel wie möglich auf Hartplätzen zu spielen, da dies meine stärkste
Unterlage ist. Zudem schaue ich, dass ich so oft wie möglich auf der Challengertour antreten
kann, wenn mein Ranking das erlaubt.
Ich stelle mir das viele Reisen einerseits spannend vor, weil du viel siehst und erlebst,
andererseits aber auch sehr anstrengend. Was überwiegt für dich?
Ich darf ich mich sehr glücklich schätzen, weil ich meine Leidenschaft zum Beruf machen
konnte. Ich kann sehr viel reisen und neue Turniere und Länder entdecken. Das ist toll. Aber
es gibt natürlich auch viele lange Tage. Denn während den Turnieren geht es auch darum,
sich gut zu erholen und Energie zu sparen. Da kannst du nicht viele Ausflüge machen und das
Land anschauen. Das würde zu viel Energie kosten. In diesen Momenten spielen wir oft
Spiele oder lesen ein Buch. Das ist aber nicht immer einfach, denn du siehst deine Familie
und Freunde nicht so oft wie du das gerne möchtest und verpasst so beispielsweise auch den
einen oder anderen Geburtstag. Trotzdem: Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich
Tennisspielen und reisen kann.
Was gefällt dir besonders am Leben als Tennisprofi?
Tennis ist ein Einzelsport. Du musst also alles dafür tun, dass du die beste Version von dir
selbst bist. Du musst jeden Tag einen Effort leisten, sonst kannst du nichts erreichen im
Tennis. Wenn du dann ein enges Match gewinnst oder gar einen Titel, kannst du auch richtig
stolz auf dich sein. Denn du hast alles alleine gemacht und erreicht – diese Genugtuung ist
ein grossartiges Gefühl.
Wie geht es für dich in der zweiten Saisonhälfte weiter? Welche Turniere hast du geplant
und welche Ziele hast du dir gesetzt?
Bis Mitte August möchte ich mich im Ranking soweit verbessern, dass ich den Cut für die
Qualifikation der US Open schaffe und dort spielen kann. Dafür werde ich verschiedene
Turniere in Europa, aber auch in Amerika und Kanada spielen und versuchen, meinen
Matchrhythmus weiter zu verbessern.